Motion “Arbeitszeiten in den Spitälern. Keine Rückkehr ins Postkutschenzeitalter!” (14.06.2017)

  • 14. Juni 2017

Motionstext

Der Bundesrat wird beauftragt, die Umsetzung und Verletzung des Arbeitsgesetzes im Gesundheitswesen zu untersuchen. Er trifft darauf gestützt Massnahmen für eine effektive Kontrolle und Einhaltung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen. Bis die Untersuchungsergebnisse und Massnahmen vorliegen, gilt für weitere Anpassungen des Arbeitsgesetzes, die derzeit eine Rückkehr ins 19. Jahrhundert anstreben, ein Moratorium.

Begründung

Seit 2005 sind Assistenzärztinnen und -ärzte und Oberärztinnen und -ärzte in Schweizer Spitälern dem Arbeitsgesetz unterstellt. Das Gesetz lässt eine sehr breite Palette an Arbeitsmodellen zu, schützt jedoch zugleich die Angestellten und im Gesundheitswesen zusätzlich die Patientinnen und Patienten.

Eine neue repräsentative Studie im Auftrag des VSAO schlägt nun aber Alarm: Über die Hälfte der Assistenzärztinnen und -ärzte und Oberärztinnen und -ärzte in den Spitälern arbeitet nach wie vor mehr als gesetzlich erlaubt – oft sogar viel mehr. Sie sind bei einem Vollzeitpensum im Schnitt fast 56 Stunden pro Woche im Dienst. Häufig werden dann die zusätzlich geleisteten Stunden nicht gemeldet. Diese Gesetzesverletzungen haben Folgen: Jede bzw. jeder Zweite fühlt sich oft oder meist müde, fast jede bzw. jeder Dritte sogar ausgelaugt. Eine bedenklich hohe Zahl von 38 Prozent der jungen Ärztinnen und Ärzte berichtet auch, an die Grenze der persönlichen Belastbarkeit zu stossen. Und inzwischen erlebt ebenfalls schon jede bzw. jeder Zweite, dass Berufskolleginnen und -kollegen durch Übermüdung Patientinnen und Patienten gefährden.

Das sind für die Schweiz, ein Land, das stolz ist auf die Qualität seines Gesundheitswesens, beschämende und beängstigende Erkenntnisse. Aktuelle politische Vorstösse wollen diesen Trend allerdings noch verstärken. So will man unter dem schönen Schlagwort “Flexibilisierung” bis zu einen Drittel der Arbeitnehmenden zwingen können, ihre Arbeitszeiten nicht mehr zu erfassen und damit zu kontrollieren. Zudem soll die wöchentliche Höchstarbeitszeit faktisch abgeschafft und das Verbot für Nacht- und Sonntagsarbeit aufgehoben werden. Arbeitsmedizinerinnen und -mediziner warnen vor Selbstausbeutung und Burnout.

Die Zeichen beim Arbeitsgesetz dürfen deshalb nicht auf Demontage und Rückkehr ins Postkutschenzeitalter stehen. Es braucht vielmehr einen Marschhalt für eine Standortbestimmung und die Behebung der Mängel bei der Umsetzung der aktuellen Regelung. Denn wie das Beispiel des Gesundheitswesens zeigt, fruchten die Kontrollen durch die Kantone und die bisherigen Interventionen des Staatssekretariates für Wirtschaft nicht.

Hinweise zur Motion

Einreichungsdatum: 14.06.2017

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