Meine persönliche Vorschau auf die Sommersession 2020

Am Dienstag beginnt die Sommersession: einige ausgewählte Geschäfte
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Nationalrat seit 2015 & Hausarzt
geboren am 22.08.1976 I aufgewachsen in Pfungen I in eingetragener Partnerschaft

Der Blick auf die Sommersession 2020

Hallo reader

Kurzer Blick zurück
Ausserordentlich war die Session Anfang Mai in verschiedenster Hinsicht: einerseits wegen der besonderen Stimmung und der Sicherheitsvorkehrungen, andererseits weil wir als Parlament 57 Milliarden Franken sprachen, vor allem um die finanziellen Folgen von COVID-19 und die notwendigen Eindämmungsmassnahmen zumindest teilweise aufzufangen. Dass die Parlamentsmehrheit gewisse Aufgaben (noch) nicht oder nur unbefriedigend löste, wurde in unserem gemeinsamen Newsletter der Zürcher SP-Delegation bereits ausführlich dargelegt.

Die COVID-19-Pandemie führte uns vor Augen, dass die Schweiz noch immer deutlich weniger Ärzt*innen und Gesundheitsfachpersonen ausbildet, als im Gesundheitswesen benötigt werden. Ich reichte deshalb in der ausserordentlichen Session eine Motion ein, die den Bundesrat beauftrag, die notwendigen Massnahmen zu ergreifen, damit in der Schweiz mehr Ärzt*innen aus- und weitergebildet werden (Motion: Stärkung der Ausbildung von Ärzt*innen für die Schweiz).

Blick auf die Session
Der Kostendruck und die Ökonomisierung der Medizin beunruhigen mich schon lange, doch die Krise führte zu weiteren Zuspitzungen. Es herrschte ein Mangel an qualifiziertem Personal, in dessen Folge das Arbeitsgesetz für das Gesundheitspersonal teilweise ausser Kraft gesetzt wurde, was zu längeren Schichten und kürzeren Ruhezeiten führte. Es fehlte aber auch an materiellen Ressourcen, um das Personal und die Bevölkerung ausreichend zu schützen, weil die Pflichtlager von Bund, Kantonen und Spitälern aus ökonomischen Überlegungen teilweise ungenügend gefüllt waren. Doch auch wenn die krisenbedingte Aufhebung des Arbeitsgesetzes wieder rückgängig gemacht wird, so bleibt der Missstand bestehen, dass für Assistenz- und Oberärzt*innen das Arbeitsgesetz schon zu «normalen» Zeiten nur «auf dem Papier» existiert. Gemäss einer Umfrage arbeiten über 62% länger als gesetzlich erlaubt (Link zur VSAO-Umfrage). Dem müssen wir Einhalt gebieten und deshalb reiche ich in der Juni-Session Vorstösse zur Einhaltung des Arbeitsgesetztes in den Spitälern und zur administrativen Entlastung der jungen Ärzt*innen ein.


Selfie während der ausserordentlichen Session in der Bernexpo

Ein paar ausgewählte Geschäfte der bevorstehenden Session:

Änderung des Betäubungsmittelgesetzes und die Ehe für alle (Ratsdebatte: 2. und 3. Juni 2020)
Diese beiden Geschäfte waren im März traktandiert, als die Session abgebrochen wurde. Siehe Newsletter vom März (Link zur Vorschau auf die Frühjahrssession)

Änderung Krankenversicherungsgesetz (Ratsdebatte: 8. Juni 2020)
Das erste Paket der Kostendämpfungsmassnahmen ist traktandiert. Leider nahm die SGK (Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit) nicht die wirklich wirksamen und wichtigen Massnahmen – wie beispielsweise die Medikamentenpreise – in dieses erste Paket. Die traktandierten Massnahmen haben weniger Einfluss auf die Gesundheitskosten als andere, sind eher unbestritten oder wenig kontrovers, beispielsweise die automatische Zustellung von Arzt- und Spitalrechnungen durch die Krankenkasse (was die Leistungserbringer*innen eigentlich bereits jetzt tun müssten) oder die Einführung eines Gesetzesartikels, der die Finanzierung innovativer Projekte ermöglichen soll, was streng genommen schon heute ohne gesetzliche Anpassung möglich wäre. Oder die Einführung ambulanter Tarifpauschalen, die im Grunde genommen eine gute Idee sind, nicht zu "ambulanten DRGs" werden dürfen. Für mich ist klar: Ich werde auch im Rahmen der zukünftigen Kostendämpfungspakete keine Anträge unterstützen, wo die Sparmassnahmen die Qualität der medizinischen Versorgung der Patient*innen gefährden.

Ja zum Verhüllungsverbot. Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag (Ratsdebatte: 17. Juni 2020)
Bei der Burkainitiative rechne ich mit einer hässlichen Debatte, die leider wiederum den populistischen Absichten der Initiant*innen dienen wird. Unter dem Vorwand, die unterdrückten Frauen schützen zu wollen, wird Hass gegen eine Religionsgemeinschaft geschürt. Von jenen Kreisen, wohlgemerkt, die sich nach wie vor gegen jegliche Massnahmen wehren, die einen tatsächlichen Beitrag zum Schutz der Frauen leisten und zu mehr Gleichstellung führen.

Proximity-Tracing-App
Wir werden in dieser Session die gesetzlichen Grundlagen für die Contact-Tracing-App schaffen, die sich bereits in der Testphase befindet. Aus meiner Sicht ist die App dringend notwendig. Sie trägt in den kommenden Monaten bzw. in den nächsten ein bis zwei Jahren als wichtige Ergänzung zur Arbeit der Kantonsärztlichen Dienste dazu bei, dass sich Menschen in Quarantäne begeben können, wenn sie wahrscheinlich Kontakt zu einer an COVID-19 erkrankten Person hatten. Zentral an dieser Vorlage wird die Garantie sein, dass die Benutzung dieser App absolut freiwillig ist und keine persönlichen oder finanzielle Nachteile für diejenigen entsteht, die sie installieren bzw. für die anderen, die diese App nicht benutzen wollen. Die persönlichen Daten müssen dezentral – also auf dem Handy gespeichert werden, was die Anonymität gewährleistet.

Last but not least
Mir geht es wie euch allen: der direkte, persönliche Austausch von Mensch zu Mensch fehlt mir. Kaum wieder aufgenommen, musste ich meine "Triff deinen Nationalrat" aussetzen. Ich habe es zwar virtuell versucht, doch hat mich das nicht zufriedengestellt. Ich bin jedoch optimistisch, dass wir nach den Sommerferien mit den Treffen weiterfahren können, wenn auch in kleinerem Rahmen als gewohnt. Das Virus mag uns dazu zwingen, dass wir im Umgang miteinander neue Wege beschreiten, doch den Austausch mit den Menschen will ich weiterhin pflegen.
Während ich die letzten Monate kaum dazu kam, die vielen E-Mails mit Fragen und Anregungen zu beantworten, ist es mir nun wieder möglich, den Austausch wieder zeitnäher zu führen. In diesem Sinne:
Herzliche Grüsse und hebed oi Sorg!
uschrift
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