“Einer für alle / Alle für einen” – meine 1. August-Rede

  • 01. August 2018

Rede zum 1. August 2018, gehalten in Hombrechtikon an der Bundesfeier (Es gilt das gesprochene Wort)

 

Jedes Jahr feiern wir den Geburtstag der Schweiz, 2018 zum 727. Mal. Zwar ist damals noch nicht der moderne Bundesstaat entstanden, wie wir ihn heute kennen. Aber 1291 ist der Grundstein für eine Schweiz gelegt worden, die sich ständig verändert, immer weiterentwickelt und verbessert hat, bis hin zu derjenigen Schweiz, wie wir sie heute kennen: die Schweiz, auf die ich stolz bin, die ich liebe, die Schweiz, die meine – unsere Heimat ist.

Heimat ist ein Begriff, der in uns allen sofort Emotionen weckt. Also stellen ich Ihnen die Frage: Was bedeutet für Sie Heimat? Wo ist Ihre Heimat? Ich bin sicher, die Antworten darauf sind spannend und auch ganz unterschiedlich, so vielfältig wie die Persönlichkeiten und Lebensgeschichten von allen.

Für mich ist Heimat ein Ort, an dem ich mich zu Hause fühle. Da sind meine Freundinnen und Freunde, mein soziales Umfeld und auch ein Teil meiner Familie. Heimat ist dort, wo ich gerne bin, wo ich mich geborgen fühle und wohin ich immer wieder gerne zurückkehre – oder einfach dort, wo ich hingehöre.

Heimat bedeutet auch, dass ich mich persönlich und emotional mit einem Ort verbunden fühle. Besonders stark kenne ich das Heimatgefühl in Zusammenhang mit Pfungen, dem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin; mit Winterthur, wo ich geboren bin; und mit der Stadt Zürich, wo ich seit 15 Jahren lebe. Pfungen ist schon meine Heimat gewesen, bevor ich mit 20 Jahren dort eingebürgert worden bin.

Und wie ist es bei Ihnen? Bei welchem Ort schlägt Ihr Herz schneller? Ich könnte wetten, dass es wohl bei manchen Hombrechtikon ist – was ich gut verstehen würde. Die einmalige Lage als erste Gemeinde im Kanton am oberen Zürichsee, die Landschaft, die Aussicht, der Lützelsee: Sie haben wirklich Glück!

Und ich wette auch, dass bei vielen oder sogar den meisten das Heimatgefühl nicht unbedingt mit dem Bürgerort zu tun hat, der im Pass steht. Das ist auch typisch für uns alle. Zwar ist es wichtig, dass wir wissen, wo unsere Wurzeln liegen, woher wir kommen, wie unsere Familiengeschichte aussieht, aber Heimat ist ein Gefühl und nicht der Name in einem offiziellen Dokument eines Orts, der viele Kilometer weit entfernt liegt oder wo man vielleicht noch gar nie gewesen ist.

Wenn wir am 1. August miteinander feiern, dann haben wir trotz unterschiedlichen, persönlichen Geschichten und Gefühlen ganz klar etwas, das uns verbindet: das ist der Geburtstag unserer gemeinsamen Heimat Schweiz.

Wir spüren alle: die Schweiz ist einzigartig, einmalig.

Was aber ist speziell an unserer Schweiz? Was macht sie anders als andere Orte auf der Welt? Es gibt ganz viele unterschiedliche Antworten, die hier zutreffen würden und ich kann nur ein paar wenige Aspekte herauspicken.

Für das möchte ich Sie kurz nach Bern ins Parlamentsgebäude, dem Bundeshaus, entführen. Wenn man genau in der Mitte des Gebäudes steht, direkt unter der Bundeshauskuppel und hochschaut, sieht man in der Mitte das Schweizerwappen, darum herum im Kreis die Kantonswappen und dazwischen einen Spruch auf Lateinisch: «Unus pro omnibus / omnes pro uno». Auf Deutsch «Einer für alle / Alle für einen». Das ist der Wahlspruch, den sich unsere Schweiz ausgesucht hat, sozusagen das Motto unseres Landes. Und genau diesen Spruch stelle ich heute ins Zentrum.

Einer für alle / Alle für einen  oder besser «Gemeinsam sind wir stark»

Die Schweiz ist eine Willensnation. Das bedeutet: unser Staat ist nicht entstanden, weil wir früher einmal alle eine gemeinsame Sprache, Kultur oder Religion teilten. Die Schweiz ist so zusammengesetzt, weil sie so zusammengesetzt sein will. Die Menschen in unserem Land haben entschieden: wir müssen uns zusammentun, zusammenarbeiten, gemeinsame Lösungen finden. Wir sind uns bewusst, dass wir unterschiedlich sind und trotzdem gehören wir zusammen.

Wir sind es uns gewohnt, dass wir trotz unterschiedlicher Ansichten und sogar in verschiedenen Sprachen miteinander kommunizieren können und müssen. Wir sind darauf angewiesen, andere Argumente und Ansichten zu verstehen, damit wir gemeinsame Lösungen finden. Mit unserer direkten Demokratie ist es besonders wichtig, dass wir die Probleme so angehen, dass eine Mehrheit der Stimmbevölkerung an der Urne die Entscheidungen auch mittragen kann.

Wir müssen manchmal über den eigenen Schatten springen und Kompromisse akzeptieren zum Wohle der Allgemeinheit, auch wenn uns persönlich etwas Anderes lieber wäre.

So wissen wir in der Schweiz, dass man zusammengehören kann, auch wenn man unterschiedlich ist. Und so sind wir uns auch bewusst, dass es immer auch eine Minderheit gibt, die anders denkt und tickt als wir und zum Beispiel bei Abstimmungen die Verliererin ist. Es ist die Aufgabe der Mehrheit, nachher auf die Minderheit zuzugehen und Hand für die Zusammenarbeit zu bieten. Denn wir gehören zusammen und nur gemeinsam sind wir stark.

Einer für alle / Alle für einen bedeutet aber nicht nur gemeinsam sind wir stark. «Alle für einen» heisst für uns auch, dass sich alle für die einzelne Person einsetzen. Damit ist nicht ein König, Kaiser oder sonstiger Herrscher gemeint, nein, das ist jeder einzelne Menschen in unserem Land, also wir alle, aber vor allem die Schwächsten.

In der Schweiz sind wir solidarisch und schauen zueinander. Es steht sogar in der Präambel unserer Verfassung:

«…und dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen…»

Wir sind für diejenigen verantwortlich, die schwächer sind als wir selbst. Da gibt es Dutzende von Beispielen, wie wir dieses Motto leben.

Ich als Arzt erwähne gerne unser Gesundheitswesen, das für alle da ist. Wir haben eine Grundversicherung und wenn wir krank werden, bekommen alle die Behandlung, die notwendig ist. Niemand darf aus finanziellen Gründen keine Behandlung bekommen oder gar an einer heilbaren Krankheit sterben.

Zu den Schwächeren schauen bedeutet auch, ein Bildungswesen mit einer öffentlichen Volksschule zu haben, die qualitativ gut und für alle da ist, unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten der Eltern. Oder dass wir dafür sorgen, dass die Rentnerinnen und Rentner auch im Alter ein Leben in Würde führen können. Oder dass wir dafür sorgen, dass sie die notwendige Pflege bekommen. Darüber haben Sie ja hier in der Gemeinde erst gerade am 10. Juni abgestimmt.

Zu den Schwächeren schauen bedeutet auch, dass wir mit unserer humanitären Tradition auch für die Schwächeren, Kriegsopfer und Verfolgte da sind.

Zu den Schwächeren schauen bedeutet aber auch, dafür zu sorgen, dass jeder und jede von uns, also auch Sie und ich, vor Willkür und Übergriffen des Staates geschützt werden.

Zu den Schwächeren schauen bedeutet, dafür zu sorgen, dass einzelne Menschen oder Gruppen nicht einfach aus einer Laune heraus diskriminiert werden können oder dass man ihnen gar schadet.

Darum haben die Politikerinnen und Politiker zusammen mit dem Stimmvolk unsere Gesetze immer weiterentwickelt, darum haben wir unter anderem auch die Menschenrechte und das Völkerrecht. Wir haben also Regeln abgemacht, die für alle gelten sollen. Und wir müssen uns darauf verlassen können, dass diese Regeln auch dann gelten, wenn wir sie brauchen.

Darum haben wir auch die sogenannte Gewaltentrennung.

Das Parlament, die Regierung und die Gerichte dürfen sich nicht gegenseitig dreinreden. Die einen machen die Gesetze, die andern führen sie aus und die Gerichte urteilen, ob sie richtig umgesetzt werden.

Natürlich bin ich persönlich auch nicht immer mit allen Gerichtsentscheiden einverstanden. Aber es ist richtig so, dass ich als Politiker den Richtern nicht dreinreden darf und umgekehrt.

Und das soll auch so bleiben! Der Schutz der einzelnen Menschen im Land, der Schutz vor Willkür des Staates, der Schutz der persönlichen Freiheit und der Menschenrechte sind fundamental für uns alle und gehören zur Tradition der Schweiz. Bieten Sie keine Hand dafür, dieses «Alle für einen» auch nur theoretisch abzuschaffen, wenn wir darüber abstimmen werden!

An der Geburtstagsfeier unserer Schweiz fühle ich Dankbarkeit:

Ich bin dankbar, dass die Schweiz nach dem Wahlspruch «Einer für alle / Alle für einen» funktioniert.

Ich bin dankbar, dass die Schweiz meine Heimat ist, dass ich in der Schweiz auf die Welt kommen und aufwachsen durfte. Ich bin dankbar, dass ich eine gute Ausbildung geniessen und einen wunderbaren Beruf erlernen durfte, und das, obwohl ich aus einer italienischen Fabrikarbeiterfamilie stamme.

Und ich bin dankbar, dass ich im Nationalrat an der Weiterentwicklung unseres Landes aktiv mitarbeiten darf.

Wir sollten alle dankbar dafür sein, dass wir das Privileg haben, in Demokratie, Frieden und Wohlstand leben zu dürfen; dankbar dafür, dass die Generationen vor uns unser Land aufgebaut haben und dass wir es jetzt auf diesen Grundlagen weiterentwickeln können.

Wir sollten dankbar sein, dass in der Schweiz einer für alle und alle für einen da sind und sollten auch etwas zurückgeben an alle anderen, in welcher Form auch immer wir das tun. Sie wissen ja am besten, wie es bei Ihnen ist: beispielsweise gibt es in Hombrechtikon mehr als 73 Vereine, in denen sich die Bevölkerung engagiert.

Und da wir ja Geburtstag feiern, dürfen am Schluss die Geburtstagswünsche nicht fehlen! Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, liebe Schweiz. In Vertretung aller hier anwesenden und den restlichen ca. 8 Millionen Menschen, die hier zu Hause sind, wünsche ich der Schweiz, also uns allen, alles Gute zum Geburtstag und viel Glück für die Zukunft!

Und wenn wir schon dabei sind, habe ich noch einen weiteren Glückwunsch: Dieses Jahr wird die SP Hombrechtikon 100 Jahre alt. Seit 100 Jahren setzen auch Sie sich dafür ein, dass in Hombrechtikon der Wahlspruch unserer Heimat gelebt wird: «Einer für alle / Alle für einen» oder vielleicht besser ausgedrückt: «Für alle statt für wenige».

Happy Birthday SP Hombi, mached wiiter so!

Ich wünsche uns allen einen schönen 1. August!